Ein Magier und seine Bearbeitungsfluide
Ob Öl, Paste, Gel oder Emulsion – herkömmliche Bearbeitungsfluide gibt es in vielen Varianten. Aber alle haben eines gemeinsam: Sie stellen für die Arbeiter ein Risiko dar und sind umweltschädlich. Steve Skerlos vom neuen Seco-Partner Fusion Coolant Systems hat eine interessante Alternative entwickelt.ERST DIE ENTWICKLUNG von Zerspanungswerkzeugen zum Formen, Bohren, Schleifen und Hobeln von Metallen hat die Prozesse in der modernen Fertigung möglich gemacht. Andererseits wäre die Entwicklung dieser Werkzeuge ohne Bearbeitungsfluide zum Kühlen, Schmieren und Abführen der Späne nicht so weit fortgeschritten. Die Liste der Stoffe, die als Bearbeitungsfluide eingesetzt werden, ist lang und umfasst Öle, Pasten und Gels, Emulsionen, synthetische Stoffe und vieles mehr. Aber ihr Einsatz bringt auch Probleme mit sich.
Steve Skerlos weiß das besser als jeder andere. Der weltweit bekannte Fachmann für Bearbeitungsfluide doziert als Professor an der Universität Michigan in den USA, fungiert als Leiter des Center for Socially Engaged Design an der Technischen Fakultät und ist Gründer und Vorstandsvorsitzender bei Fusion Coolant Systems, dem neuen Partner von Seco Tools.
Skerlos kennt die Probleme herkömmlicher Bearbeitungsfluide aus erster Hand, nachdem er als Doktorand fünf Jahre lang mit Emulsionen gearbeitet hat. „Durch solche Flüssigkeiten haben die Kollegen in der Zerspanung und ich mehrere gesundheitliche Einschränkungen erlitten“, bestätigt er. „Die Gesundheitsrisiken für Arbeiter, die mit herkömmlichen Bearbeitungsfluiden in Berührung kommen, sind seit Jahrzehnten bekannt. Das Verfahren ist total veraltet.“ Die Flüssigkeiten selbst sind „ein einziger Chemikalien-Cocktail“, wie er es formuliert.
Als Mensch, der kein Blatt vor den Mund nimmt, setzt sich Skerlos aktiv für den Umweltschutz ein. Er ist leidenschaftlicher Radfahrer und fährt meist mit dem Rad zur Arbeit.
Als Doktorand wollte er sich zuerst gar nicht mit Bearbeitungsfluiden beschäftigen. „Für mich war es aber eine Chance, in den Bereich Nachhaltigkeit zu gelangen, für den ich mich immer gern einsetze.“ Durch die Untersuchung der chemischen, biologischen und physikalischen Eigenschaften von Flüssigkeiten wusste er, dass es bessere Möglichkeiten geben musste.

GEMEINSAM MIT SEINEN jetzigen Doktoranden experimentierte er mit einem Stoff, der als überkritisches Kohlendioxid (CO2 ) bezeichnet wird. Man stelle sich einen Behälter unter Hochdruck vor, der zur Hälfte mit gasförmigem CO2 und zur Hälfte mit flüssigem CO2 gefüllt ist. Sobald der Druck bei über 31 °C den magischen Punkt von 74,39 bar übersteigt, entsteht eine Materie, deren Aggregatzustand weder als flüssig noch als gasförmig zu beschreiben ist: eine Fusion. Und diese Fusion ist für die zerspanende Bearbeitung äußerst nützlich. „Ich habe an die Umwelt und an den Arbeitsschutz gedacht“, meint Skerlos. „Und in dieser Hinsicht ist meine Lösung perfekt.“
Als er mit seinen Studierenden die ersten Ergebnisse erhielt und erkannte, dass der Stoff die üblichen Bearbeitungsfluide bei weitem übertraf, bat er die Studierenden, ihre Protokolle zu überprüfen. „Eine derart geringe Reibung und Schmierfähigkeit war uns neu. Dasselbe gilt für die erreichten Geschwindigkeiten. Wir waren sehr überrascht, wie viel besser das Ergebnis war als bei einer Emulsion.“
Skerlos wusste, dass ihm ein revolutionäres Produkt gelungen war. Er prüft die Vorteile: Das Produkt ist sicher und frei von Bakterien. Die Werkzeuge halten länger. Das Produkt lässt sich problemlos an einer Werkzeugmaschine nutzen. CO2 ist ein billiges Nebenprodukt. Und im Gegensatz zu Flüssigkeiten gibt es keine Verschmutzungen. „Denken Sie mal darüber nach: Wenn Sie biomedizinische Implantate herstellen, sollen die Teile doch nicht mit Bearbeitungsfluiden kontaminiert werden, nur damit man sie wieder kompliziert reinigen muss. Bislang sind wir auf keine Anwendung gestoßen, bei der wir die Emulsion nicht ersetzen können. Unsere Lösung könnte Emulsionen also in allen Bereichen ersetzen. Und so sollte es auch sein.“
BEI DER ENTWICKLUNG und Vermarktung seines patentierten Prozesses mit überkritischem CO2 hat Skerlos die Unterstützung der Universität Michigan. Das von ihm gegründete Start-up-Unternehmen wächst schnell und verkauft das überkritische CO2 unter dem Markennamen Pure-Cut als fertige Lösung für anspruchsvolle Kühl- und Schmieranwendungen. Es ist bereits die zweite Firma, die er gegründet hat. Die erste Firma war ein Hersteller von Zytometern zur Erkennung mikrobieller Populationen in Bearbeitungsfluiden und ging später für über 200 Millionen US-Dollar in den Verkauf.
Sein derzeitiger Schwerpunkt liegt auf der Ausbildung von Studierenden der Ingenieurwissenschaften im Bereich nachhaltige Konstruktion. „Wir sprechen immer über finanzielle Schulden, die wir künftigen Generationen hinterlassen. Es geht aber um weit mehr als nur darum“, meint er, und lehnt sich nach vorn: „Wir hinterlassen ökologische Schulden, die uns teuer zu stehen kommen werden. Eine Ingenieursausbildung sollte sich auf die Zukunft konzentrieren und die Welt für unsere Kinder einfacher und besser machen.“
